Julio Lambing

„We are a seduction squad.“
Sozialökologische Gemeinschaften als Neotopie für Wirtschaft, Technik, Familie und Zwischenmenschliches

Seit den 70er Jahren verbreiten sich im Westen intentionale Gemeinschaften und alternativen Kommunen mit dem Anspruch, als Modelle konkreter Utopie eine sozial und ökologisch nachhaltige Lebensweise zu verbreiten. In der Öffentlichkeit werden sie mittlerweile unter dem Schlagwort „Ökodorf“ als Vorbilder hinsichtlich des gemeinsamens Wohnens von Jung und Alt, der nachbarschaftlichen Unterstützung im Alltag, dem Teilen von Maschinen und Ressourcen sowie dem Einsatz ökologische anspruchsvoller Technologien thematisiert. Da Bildungs- und Arbeitsplatzwanderungen, Scheidungen, Ein-Personen-Haushalte und ein neues Rollenverständnis der Frau der etablierten Kleinfamilie zusetzen, wird zunehmend auch der Anspruch der Gemeinschaften, Alternativen zur Kleinfamilie zu bieten, ernstgenommen. Abmilderungen ihrer Sozialform sickern unter den Stichworten „Cohousing“, „Mehr-Generationenwohnen“ oder „Neue Nachbarschaftlichkeit in den gesellschaftlichen Mainstream ein. Aber: Ähnlich wie ihre historischen Vorläufer, den mittelalterlichen Klöstern, kommt den Gemeinschaften mit ihren Techniken der Fremd- und Selbstmodellierung ebenso eine geschichtliche Pionierrolle hinsichtlich der Psychologisierung von menschlichen Beziehungen, dem Authentizität in der Politik und neuer Formen einer biopolitischen Hygienelehre in den Bereichen körperliche und seelische Gesundheit, Moral und zwischenmenschlicher Umgang zu. Die ambivalente Rolle als Lebensstil¬-Pionier und Wegbereiter zeitgenössischer biopolitischer Gouvernementalität soll in dem Vortrag anhand eines Randphänomen der Gemeinschaftsbewegung, der Propagierung nicht-monogamer Lebensweisen erläutert werden. Obwohl historisch gesehen nur in ganz wenigen Gemeinschaften relevant, war dieses Thema aufgrund der dabei verwendeten Selbsttechniken kulturell und sozial wirkmächtig.

Julio Lambing war von 2002 bis 2017 in wechselnden Leitungsfunktionen für den internationalen Wirtschaftsverband European Business Council for Sustainable Energy (e5) tätig, der sich für Klimaschutz, nachhaltige Energienutzung und den ökologischen Umbau der Industriegesellschaft einsetzt. Neben der allgemeinen Führung des Verbands realisierte und verantwortete er Dialog- und Forschungsprojekte zur Klimaschutz- und Energiepolitik in Deutschland, der Europäischen Union und im Rahmen der UN-Klimaverhandlungen. Zudem beschäftigt sich Lambing mit alternativen und randständigen Wirtschafts-, Kultur- und Sozialformen. Er ist Mitglied der Handlungsgesellschaft Der Dritte Ort, einem Aktionskollektiv für ein „Leben in Freiheit, Freundschaft und Schönheit“, das u.a. in Köln ein informelles Handlungs- und Wahrnehmungszentrum betreibt.

Aktuell baut Lambing gemeinsam mit KollegInnen ein Forschungsinstitut zur Erforschung zukunftsfähiger Lebensweisen auf, die ein gelingendes Leben ermöglichen und unsere kulturellen, sozialen und ökologischen Allmenden gedeihen lassen.

Themen: Formen des guten Lebens; intentionale Gemeinschaften und Ökodörfer; Gemeingüter und Commons-Bewegung; Lebensstil-Avantgarden und soziale Innovationen; Eco-Innovation und Nachhaltigkeitstechnologie; Raumpioniere und Raumentwicklung; Weltversionen polytheistischer, heidnischer und naturreligiöser Traditionen; alternative Formen und Kulturpraktiken rund um Liebe, Freundschaft, Sexualität, Familie und Haushalt.

www.juliolambing.de
www.forschung-gutesleben.de

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