Tabea Lurk

Tony Conrad analogital?

Wenn bei der Digitalisierung analoge Produkte entstehen.

Vor dem Hintergrund klassischer Digitalisierungsroutinen und -abläufe, wie sie im sog. BAM-Sektor (Bibliotheken, Archive, Museen) verbreitet sind, richtet der Beitrag den Blick auf künstlerische Hinterfragungen unterschiedlicher Digitalisierungsverfahren. Digitalisierung durch die Brille der Kunst zu betrachten, führt zu mitunter eigenwilligen Ergebnissen, die im Wechselspiel zwischen digitalen Prinzipien und analogen Handlungsformen ihren Gestaltungsraum erkennen.

Im Zentrum der Überlegungen stehen die Arbeiten des amerikanischen Künstlers Tony Conrad, der vor allem für seine Experimentalfilme und minimalistische Violin-Performances bekannt ist. Unter den weniger bekannten Arbeiten aus den späten 1970er und 1980er Jahren finden sich einige, die mit dem Interfiction-Thema analogital ausgesprochen gut zusammenzugehen scheinen, denn am Ende des konzeptionellen Digitalisierungsprozesses steht nicht, wie sonst üblich, ein Digitalisat, sondern ein analoges Werk, dem seinerseits etwas Digitales eingeschrieben scheint. Ohne explizit auf seine Erfahrungen der frühen 1960er Jahre zurückzugreifen, in denen sich Tony Conrad in New York mit diversen Programmier-Jobs über Wasser gehalten hat, eröffnet seine spätere künstlerische Auseinandersetzung mit Phänomenen des Digitalen lustvoll ironische Persiflagen, die das omnipräsente Thema mediatisierter Gesellschaftsformen künstlerisch verhandeln. Um die visuelle Metaphorik in Tony Conrads Schaffen zu kontextualisieren, werden ausgewählte Werke anderer Künstler hinzugezogen, welche ebenfalls analogitale Kulturpraktiken anwenden, jedoch zu mitunter grundlegend anderen Ergebnissen kommen.

Tabea Lurk
hat Kunstwissenschaft und Medientheorie in Karlsruhe, Leipzig und Osnabrück studiert. Seit 2006 arbeitet sie als Dozentin für digitale Konservierung an der Hochschule der Künste Bern. Hier hat sie seit 2008 das ArtLab des Fachbereichs Konservierung und Restaurierung und 2011-2012 den Weiterbildungsstudiengang MAS in Preservation of Digital Art & Cultural Heritage aufgebaut, welche sie seit dem leitet. Derzeit promoviert sie in Karlsruhe über Tony Conrad. Schwerpunkt ihrer Forschungstätigkeit in Bern bilden Fragen der digitalen Kultur.

 

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