interfiction XIII/2006
prosumer culture(s)
DIY-Produktion in einer Arena des Konsums
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Harald Hillgärtner


abstract:

Der Dilettant

"Der Dilettant verhält sich zur Kunst, wie der Pfuscher zum Handwerk." (Johann Wolfgang Goethe, Friedrich Schiller)

Der Begriff des Dilettanten bezeichnet in seiner ursprünglichen Bedeutung nichts anderes, als einen Liebhaber der Künste, wobei dieser sich jedoch nicht allein auf den Kunstgenuss beschränkt, sondern selbst produzierend tätig wird. Obgleich die im 18. Jahrhundert aus dem Italienischen importierte Vokabel begriffsgeschichtlich eine wechselhafte Konnotation erfährt, bleibt das Amateurhafte in einem durchaus pejorativen Sinne dem Begriff beigemengt. Jemanden als Dilettanten zu bezeichnen, kommt auch in der Gegenwart einer Beleidigung gleich - dies, obwohl die sich entwickelnde Medientechnik den Schritt vom Konsumenten zum Produzenten bereits auf einen simplen Tastendruck reduziert hat.

Die technischen Medien selbst sind im strikten Sinne egalitär. Welche Ausbildung der 'Tastendrücker' genossen hat, ist den Apparaten gleichgültig. Medientheoretisch bietet dieser Umstand den willkommenen Anlass, einen radikalen Paradigmenwechsel einzuläuten. Tim O'Reillys "Web 2.0" ist in einem gewissen Sinne bereits bei Brecht und Benjamin, bei Enzensberger und Flusser ebenso wie bei Manovich vorgedacht. Wo Brecht und Benjamin eine eher unbestimmte egalitäre Wirkung der technischen Medien vermuten, findet sich bei den anderen der Wechsel vom Konsumenten zum Produzenten ganz ausdrücklich in der Technizität der Apparate begründet. Ist nun im Zeitalter der technischen Medien die Ära der Stümper, Pfuscher, Bastler, Knipser, kurz: der Dilettanten, angebrochen? Vielleicht verhält sich aber auch alles ganz anders: Vielleicht kassieren die Apparate als programmierte Blackboxen die alte Unterscheidung zwischen einem professionellen und einem laienhaften Umgang mit ihnen. Je "besser" man die Apparate beherrscht, desto mehr "funktioniert" man im Sinne der Apparate. Mit Flusser käme es nämlich darauf an, die Apparate in ihrer Automatizität zu stören, sie gegen ihre "Gebrauchsanweisung" zu verwenden. Nicht die intime Kenntnis, sondern der Missbrauch der Geräte wäre mit einem Male das Spannende und der Dilettant wäre rehabilitiert.

Doch was wäre damit gewonnen, eine (angenommene) neue Wertschätzung des dilettantischen Mediengebrauchs aus dem technischen Dispositiv abzuleiten? Solche populären Plattformen wie YouTube und flickr jedenfalls stellen gar nicht erst die Frage nach der Professionalität der vormaligen Konsumenten. Es werden keine Maßstäbe vorgegeben, nach denen die Produkte bereits vorab kategorisiert würden. Stattdessen sind es die Nutzer selbst, die mittels "Top Rated", "Most Downloaded" oder "Most Popular" darüber abstimmen, was interessant und was weniger interessant ist. Offen bleibt damit, ob diese Form der Publikumsabstimmung nicht auch eine Form der Selbstdomestizierung ist. Vielleicht lässt sich aber auch eine neue Art der kulturellen Dynamik (Heidenreich) beobachten, die sich einerseits nicht mehr an Marktanteilen oder an Zuschauerquoten orientieren muss und andererseits die privaten Medienproduktionen weniger beliebig werden lassen. Ob Domestizierung oder kulturelle Dynamik: In beiden Fällen wäre das Exzentrische des Dilettantismus' abgeschafft, da er zu einer legitimen kulturellen Praxis gerinnen würde. In dieser Hinsicht wäre weniger die kommerzielle Vereinnahmung als die Selbstregulierung der Nutzer/Produzenten das Problem im Web 2.0. Bliebe also auch hier einzig die Möglichkeit, solche "Apparate" wie flickr und YouTube gegen ihre Gebrauchsanweisung zu verwenden, um dem Wärmetod zu entgehen?


bio:

Harald Hillgärtner, geb. 1969
Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft, Kunstgeschichte und Psychoanalyse in Frankfurt am Main.
Seit 2002 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Geschichte und Ästhetik der Medien, Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft, Frankfurt am Main.
2006 Abschluss des Dissertationsprojektes "Das Medium als Werkzeug. Plädoyer für die Rehabilitierung eines abgewerteten Begriffes in der Medientheorie des Computers".
Forschungsschwerpunkt zu Medientheorie und -ästhetik des Computers.


linx:

www.unbestimmtes.de



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