interfiction IX
arte F action!
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19. Kasseler
Dokumentarfilm- &
Videofest


abstracts+biobibs  _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

Marlena Corcoran

Misserfolg ist kein Erfolg

Wie entwickeln wir Kriterien, um arteFaktion in der Kunst zu verstehen und zu beurteilen? Künstler in den neuen Medien integrieren zunehmend eine radikale Form der arteFaktion, nämlich das Scheitern, in ihre Arbeiten. Wie können wir beurteilen, ob solch eine Arbeit gelingt - oder nicht?

Ich werde mich auf meine Erfahrung in der Herstellung dreier unterschiedlicher Arten von Medienkunst beziehen. Mein Video "Agnus Dei: Lamb of God Laundromat" scheitert absichtlich im Hinblick auf die erwartete Symmetrie zwischen Klangspur und Bildern. "The Birth of the Christ Child", eine online Theaterimprovisation von The Plaintext Players, bietet onto-technologische Gelegenheiten zum Scheitern, die diesmal live und komisch sind. Schließlich werde ich das Scheitern der Übertragung per Internet in meiner textuell-musikalischen Performance von "The Gallbladder Sonata" thematisieren. Diese Beispiele werden im Kontext der Rolle des Zufalls und des Wechsels vom Kunstgegenstand zum Prozess in der Gegenwartskunst diskutiert.


eMail: corcoran@anglistik.uni-muenchen.de
homepage: www.marlenacorcoran.com


_ _ _Marlena Corcoran _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

Im Rahmen von *interfiction high noon*

Agnus Dei
Lamm Gottes Wäscherei

Video und Text von Marlena Corcoran

Der Himmel zerbarst und fiel wie Plexiglas. Hagel. Er fiel wie eine Windschutzscheibe, die uns vor größerem Unheil jenseits schützen sollte. Der Hagel prallte zurück. Der Grund knisterte. Der Planet sah aus wie eine Pinballmaschine, eine fußhohe Wolke aus zischendem Weiß auf den Bürgersteigen.

Rette uns.

Gelb. Grün. Anthrazit. Der Himmel wechselte in Farben, die ich vorher nie gesehen hatte. Die Himmelskugel wurde von Blitzen zersplittert. Und wir sprangen auf, wenn der Donner wieder rollte, ganz nah.

Nein, normalerweise ist es nicht so. Ich weiß nicht, wie es normalerweise hier ist. Ich bin nicht von hier.

"Gehen Sie nicht nach Hause", sagte der Besucher, "es sei denn, Sie leben an der Hohen Straße." Die geographische Disposition der kleinen Stadt manifestierte sich mit einem Mal nach Hoch und Tief. "Die Abflüsse sind vom Hagel verstopft", sagte der Besucher, "und die Wagen kommen nicht durch das Wasser."

Wasser und Eis füllten die Luft und stiegen von den Straßen auf. Ich wohne an der Hohen Straße. Ich muß nach Hause.

Mein Mann arbeitet nebenan. Wir besteigen unser brandneues Auto. Die Straße fällt ganz leicht ab nach der Sechsten Straße hin, nunmehr ein rauschender Fluß, dessen Verlauf von Hagelhaufen bestimmt wird. Ich kann mich mit keinem von Eiswürfeln verursachten Desaster abfinden. Das Wasser gelangt unter den Türen in den Wagen und rinnt über meine Füße.

"Zu Fuß schaffen wir es nicht", sagt mein Mann. "Ich werde versuchen, den Wagen über die Eisenbahnschienen zu fahren."

Ich frage mich, ob die Elektrizität ausreicht, um uns zu töten oder bloß, um uns den Weg zu leuchten. Der Wagen fährt bei unserem Haus vor. Ich trete hinaus in fußhohes Wasser voll mit Eis. Meine Schuhe aus imitiertem Krokodilleder tasten sich Schritt für Schritt durch den Eiscocktail. Der Regen fällt in Strömen. Es kommt mir in den Sinn, daß ich die falschen Schuhe trage.

An der Tür stoße ich den noch verbliebenen Schuh ab und gehe wie betäubt ins Schlafzimmer. Die hohe schmale Zeichnung der Kathedrale von Straßburg, die auf dem Fußboden steht, hat Wasser gezogen, aber nicht viel. Der untere Rand der taubengrauen Umrahmung wellt sich, doch die Kathedrale ist sicher hinter Glas. Ich zittere und weiß nicht, was das für eine Welt ist.

Ich gehe zum Seiteneingang und sehe hinunter in den Keller. Ich wundere mich nicht über die scheinende Oberfläche und das Geräusch von laufendem Wasser. Die Treppe mündet in einen See. Ich sehe eine Leiter zu einem See hinunter.

Doch dann gibt es einen Klick. Ein Motor springt an. Ein vertrautes Geräusch. Die Waschmaschine hat den Wasserspiegel erfaßt und glaubt es ist Zeit zum Spülen. Kleng. Kleng. Kleng. Kleng. Sie hat die Situation nicht ganz begriffen. Rerrrr-rerrrr-rerrrr. Sie tut ihre Arbeit.

Die Waschmaschine spült über Tage weg, ohne das Wasser zu bewältigen. Schließlich gibt sie auf.


_ _ _Marlena Corcoran _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

Marlena Corcoran ist Schriftstellerin, Medienkünstlerin und Medientheoretikerin.

Ihr internet Theaterstück, The Birth of the Christ Child, erscheint im Herbst 2002 in PAJ: A Journal of Performance and Art (MIT Press). Ihr Performance, BirthData, wurde im Mai 2001 live auf der Bühne im Münchener Gasteig und live per streaming video auf der Webseite von Location One (New York) aufgeführt.

Sie ist die Autorin des Internet-Romans "Worst Case Scenarios" (blast5drama and New York Digital Salon 5, New York, 1996-97). Sie hat "elektronische Erzählungen" aufgeführt und nimmt am online-Theater teil.

Im Juni 2000 war sie Regisseurin und Schauspielerin in der online Performance, "The Coronation of Poppaea", die von 2,000 Zuschauern in Bonn live besucht wurde. Sie hat an Improvisationen mit The Plaintext Players teilgenommen (Biennale Venedig 1997, documenta X und zahlreiche andere Orte). Im Jahr 2000 führte sie ihr Werk "stay (tuned)" als Teil einer Oper im Lincoln Center, im Maximiliansforum München und im Rahmen der intermediale Mainz 2001 auf.

Ihre Erzählungen und Essays werden regelmäßig publiziert, darunter in Leonardo: A Journal of Art and Technology (MIT Press) und Soundings: An Interdisciplinary Journal, in dem sie eine Serie von Essays unter dem Titel "The Corcoran Gallery" schreibt.

Sie ist Mitherausgeberin von Gender and Joyce (1997) und besitzt ein Doktorat (Ph.D.) von der Brown University. Marlena Corcoran wurde in New York geboren und lebt in München.

"Performative textuelle Subjektivität beim Online-Theater" auf _parapluie_: http://www.parapluie.de/archiv/cyberkultur/galerie/pic01.html

"Streaming Shiva" auf //theatermaschine: http://www.theatermaschine.net/blaupause/theorie/streaming.htm

PAJ: A Journal of Performance and Art: http://mitpress.mit.edu/paj


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